2014 wurde die Brauerei Bierol gegründet. 2016 folgte Caroline Bichler, die Schwester von Bierol-Brauer Christoph dem Ruf der Heimat und eröffnete ein Restaurant in der Brauerei – Bierol Taproom & Restaurant. Hier ein Portrait (in überarbeiteter Fassung), erschienen kurz nach der Eröffnung in der CRAFT – Magazin für Bierkultur.
Irgendwie ist es hier wie im Film. Im kitschigsten Tiroler Heimatfilm den’s gibt. Mit all den Bergblumen und Wiesen, den schneebedeckten Gipfeln und Kuhglocken. Irgendwie fehlt nur noch der Almöhi. Doch den wird man hier nicht finden. Denn im Bierol Taproom & Restaurant gehts alles andere als altmodisch zu.
Im ehemaligen Bauernhof in Schwoich bei Kufstein, nahe der deutsch-österreichischen Grenze, hat ein gastronomisches Konzept eröffnet, das doch recht untypisch für das klischeebehaftete Tirol ist. Kein traditionelles, österreichisches Märzen, keine typische Pressknödelsuppn, kein klassischer Kaiserschmarrn kommt hier auf den Tisch. Caroline Bichler und ihr Team zeigen eine neue Art von Bier- und Speisenkultur. Den Fokus immer aufs Fortschrittliche gerichtet.
Eines gleich vorweg. Die Bezeichnung Taproom wird dieser Gastronomie nicht gerecht. Hier gibt es nicht nur im kleinen Rahmen Biere zu probieren, dazu ein paar nette Snacks. Wenns um die Speisen geht, hat mit Thomas Moser ein junger Küchenchef das lukullische Zepter in der Hand, dessen Leidenschaft weit über Perfektionismus in Form von fein geformten Mousse-Tupfen hinausgeht. Der Kundler bringt jetzt auf die Teller, was er sich aus seiner Lehrzeit bei Fernsehkoch Alexander Fankhauser und als Sous-Chef im Zwei-Hauben-Restaurant „Sigwarts Tiroler Weinstuben“ mitgenommen hat und nun für sich neu interpretiert. Und dessen Brillanz mag wie so oft in der Kreativküche nicht immer gleich beim ersten Blick auf die Speisekarte deutlich sein. Roastbeef mit Linsensalat und Senfcreme, Hüferschwanzerl mit Kartoffelpüree und Klettenwurzel oder Bananensplit 2.0: Spätestens wenn das Gericht aber ins Auge sticht und auf die Zunge kommt, gibt es den Aha-Effekt. Und das nicht nur weil im Küchenradio gar kein Hansi Hinterseer läuft. 2020 gab es dafür die erste Haube.
Dass das dazu servierte Bier im Bierol Taproom & Restaurant eine mindestens genauso wichtige Rolle spielt, zeigt schon die Bedeutung im Namen. Bierol. Nein, hat nichts mit Aperol zu tun. Kommt von Bier und Tirol. Carolines Bruder Christoph hat die Craft Brauerei 2014 mit seinen Freunden Maximilian Karner und Marko Nikolic gegründet. Max stieg 2020 aus. Seit 2018 mit im Team ist dafür Lisa (nur für die Frauenquote).
Gebraut werden hopfenbetonte Hämmer und progressive Porter mit Namen wie „The Padawan”, „El Patron“ oder aber ganz tirolerisch „HUNGCH”, “woiwoi” oder “es kead vü weniga gschmust“. Bereits beim Besuch ihres ersten Craft Bier Festivals in Wien wurde das „Mountain Pale Ale“ mit dem Publikumspreis ausgezeichnet, später kürten die Untappd-Rater die Brauerei zur „highest rated brewery in Austria“. Es folgten Regionalitätspreis und Bier des Jahres beim Gault & Millau. Experimentieren steht für Christoph Bichler weit über dem genormtem Tagesablauf, Kreativität ist für ihn mehr als Marketing-Wort. Wer sonst braut in Tirol eine Fruited India Gose oder ein New England IPA schon lange bevor es zum Trend wird? Langeweile auf der Taplist kommt jedenfalls nicht auf. Und das müssen die Tiroler auf den Kulinarien, Verkostungen und Brauereiführungen dann doch das ein oder andere Mal für den Tiroler Märzen-Trinker näher ausführen.
Das klassischste aus dem Bierol-Sortiment ist sicherlich das „Schwoicher Helle“, ein Kellerbier als Hommage an die Zeit, als die kupfernen Kessel vor der lichtdurchfluteten Fensterfront noch für Christophs Vater Peter Bichler liefen. Der hat nämlich den Bauernhof 2004 überhaupt erst zur Brauerei mit Restaurant umgebaut, damals unter dem Namen Stöfflbräu ganz traditionell tirolerisch. Heute widmet er sich wieder voll seiner Stöfflhütte auf der nahe gelegenen Walleralm am Wilden Kaiser und hat sein Erbe an die nächste Generation weitergegeben. Und die packt’s auf ihre Weise an. In ihrer Zeit. Eben ganz 2.0.
Von Lisa Luginger – Fotos René Ruprecht / Lisa Luginger